Energetische Sanierung: Hersteller können mit Rundum-sorglos-Angeboten punkten
Nur ein Viertel der Wohneigentümer eines Einfamilienhauses (23%) ist mit einer effizienten Gas-Brennwert-Heizung ausgestattet. Immerhin ein Zehntel plant konkret und weitere 30 Prozent eventuell, in den nächsten fünf Jahren in eine neue Heizungsanlage für das Eigenheim zu investieren. Ähnlich hoch ist die Investitionsbereitschaft unter Wohneigentümern für Maßnahmen zur Wärmedämmung (12% konkrete und 29% eventuelle Planer), Anlagen zur regenerativen Warmwasseraufbereitung (6% bzw. 36%) und zur Stromgewinnung und -speicherung (10% bzw. 39%). Da der Anteil der geplanten etwas über dem der realisierten energetischen Sanierungen in den letzten fünf Jahren liegt, wird ein Wachstumspotenzial für Hersteller und Handwerker sicherlich auch aufgrund des Klimapakets zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung sichtbar.
Dies sind weitere Ergebnisse aus dem aktuellen «Kundenmonitor Energiemarkt 2020» des Forschungs- und Beratungsinstituts Sirius Campus aus Köln. In der ausführlichen Marktuntersuchung wurden im Frühjahr 2020 rund 2.000 Wohneigentümer, Vermieter und Mieter repräsentativ zum Energiesparen und zur energetischen Sanierung befragt.
Unsere Veröffentlichung in dem Fachmagazin emw (https://www.emw-online.com/) finden Sie hier.
Beratung und Angebote müssen – trotz komplexer Technik – einfach bleiben
Der Such- und Entscheidungsprozess bezüglich energetischer Sanierungen fast aller Wohneigentümer (92%) lässt sich als extrem beratungsaffin beschreiben. Auf Grundlage von Behavioral Economics konnten vier Entscheidungsmuster (www.select-typen.de) identifiziert werden.
- Die größte Gruppe stellt die Vorsichtigen (36%) dar. Sie sind risikoscheu und investieren nur aufgrund von Notwendigkeiten, z. B. Defekten, und einer Handwerkerempfehlung in energetische Sanierungen. Sie lassen sich von bewährten und durch viele zufriedene Kunden bestätigte Qualität zu einem mittleren Preis überzeugen. Ihr Hauptmotiv ist es, eine Fehlentscheidung und damit verbundene Fehlinvestitionen zu vermeiden. Diesen Vertrauensaufbau schafft in der Regel nur ein Berater, der ohne zu viele Details, aber mit konkreten Erfahrungen möglichst aus der Nachbarschaft überzeugt.
- Die Partner (32%) suchen nach Qualität und einem kontinuierlichen Service durch Fachkräfte. Dafür bringen sie auch die höchste Preisbereitschaft mit. Eine ausführliche Vor-Ort-Beratung und eine detaillierte Darstellung des Projektplans und der Investitionen sind Partnern wichtig. Dabei genügen ihnen allgemeine Rentabilitätsbetrachtung. Das Gefühl etwas für sein Eigenheim und für das Energiesparen zu tun, sind für sie der emotional Entscheidungsgrund.
- Schließlich ist einer Viertel (25%) der Wohneigentümer Optimierer und sucht bei Investitionsentscheidungen nach besonderen Vorteilen. Sie sind sehr aufmerksam und informieren sich aktiv im Internet und bei Bekannten. So vorbereitet stellen Optimierer in Beratungsgesprächen auch Detailfragen, um für sich ein besonderes, vielleicht sogar einzigartiges Angebot herauszuholen. Sie lassen von technischen oder digitalen Innovationen wie z. B. Smart-Home-Systeme begeistern, da sie auch gerne in ihrem Freundeskreis von ihren Projekten berichten. Finden Optimierer innovative Vorteile für ihr Sanierungsprojekt steigt auch ihre Preisbereitschaft, und zwar erheblich. Auch finanzielle Zuschüsse und Förderungen entgehen ihnen nicht. Sie fassen Vertrauen, wenn der Berater diese aktiv vorschlägt oder sogar als Projektservice die Anträge weitmöglichst übernimmt.
- Im Sanierungsmarkt gibt nur weniger als ein Zehntel (8%) Eigenständige. Sie wollen die Sache in der Hand behalten und scheuen auch keine Eigenleistungen. Ihr Hauptmotiv ist das Sparen bzw. eine möglichst hohe Energiekosteneinsparung zu erreichen. Eigenständige sind sehr informiert und arbeiten sich in die verschiedenen Themen von der baulichen Gestaltung bis zur Finanzierung intensiv ein. Das ist auch der Grund, warum Eigenständige häufiger bei Herstellern oder Fach- bzw. Baumärkten nach einer Beratung fragen. Beim Materialeinkauf sind sie dann für nachgewiesene Qualität sehr preisbereit. Denn ihr Sparmotiv befriedigen Eigenständige bereits stark durch Eigenleistungen bis hin zur eigenständigen Wartung.
„Menschen entscheiden nach bestimmten Heuristiken, also Faustformeln, die sich meist auf einfache Aussagen in Angeboten herunterbrechen lassen. Häufig sind Beratungen zur energetischen Sanierung jedoch mit Zahlen, Berechnungen und Bedingungen übersäht. Das überfordert viele Interessenten und verhindert Investitionsentscheidungen“, erläutert Dr. Oliver Gaedeke, Geschäftsführer und Gründer der Sirius Campus GmbH.
Die Mehrheit der Immobilienbesitzer (55%) erwartet eine schlüsselfertige Abwicklung von Sanierungen – insbesondere die Vorsichtigen unter den Select Typen. Insgesamt nur ein Sechstel (15%) möchte möglichst viel Eigenleistung erbringen – am häufigsten die Eigenständigen. In einem Angebotstest wird deutlich, dass ein Rundum-Sorglos-Angebot mit mehreren Sanierungsmaßnahmen und einem intelligenten Energiesteuerungs-System bei Partnern und Optimierern eine zusätzliche Preisbereitschaft von rund 20% erzeugt.
Hersteller und Baumärkte liegt wirtschaftliches und klimapolitisches Potenzial zu Füßen
Der wichtigste Treiber für eine Investition in eine energetische Sanierung ist tatsächlich eine Beratung durch Handwerker, denen 83 Prozent der Immobilienbesitzer großes Vertrauen entgegenbringen. Aber auch Geräthersteller (76%), regionale Energieversorger (74%), Kreditinstitute (62%) und Baumärkte (60%) genießen mehrheitlich großes Vertrauen für schlüsselfertige Sanierungsangebote. Die dauerhafte Angebotslücke fachlicher Berater, die für fast alle Interessierten das größte Hindernis im Entscheidungsprozess für eine Sanierung darstellt, bietet ein konkretes Wachstumspotenzial für Gerätehersteller und Baumärkte. Insbesondere Markenanbieter mit einer hohen Bekanntheit und Kaufbereitschaft, wie z. B. Buderus, Vaillant und Viessmann (in alphabetischer Reihenfolge) bei effizienten Gas-Brennwert-Heizungen und Bosch, Buderus, Junkers, Vaillant und Viessmann bei Solarthermie und Wärmepumpen, könnten das Potenzial dieses bereits 9 Milliarden Euro schweren Marktes für sich nutzen. Aber auch kleinere Markenhersteller, die bei einer Investitionsplanung Aufmerksamkeit erhalten, wie z. B. Elco, Brötje, Paradigma Systems, Wieder und Wolf, könnten das Potenzial für sich nutzen. Unter den Baumärkten stechen Bauhaus, Globus, Hellweg, Hornbach, Obi und Toom mit mindestens einem Viertel der Stammkunden heraus, die konkret eine energetische Sanierung in den nächsten 5 Jahren planen. Dazu kommt das wachsende Potenzial bei Mietern, für die nun ebenso Förderungen bereitstehen.
„Hersteller und Baummärkte können ihr Leistungsangebot um Planungsberatung, Finanzierungsvermittlung und kontinuierliche Wartungsservices erweitern“ sagt Dr. Oliver Gaedeke. „Mit einem passenden Beratungs- und Angebotskonzept, dass auf den Entscheidungsstil und die Heuristiken der Kunden eingeht, lassen sich auch Telefon- und Online-Beratungen erfolgreicher gestalten.“
Fazit
Gerätehersteller und Baumärkte können ihr Potenzial in dem wachstumsstarken Markt für energetische Gebäudesanierungen weitaus besser abschöpfen. Dafür sind Rundum-sorglos-Angebote inkl. Finanzierungen, Versicherungen und langfristigem Wartungsservice notwendig. Hierdurch wird die Kundenansprache und -beratung auf Basis der Select Typen und weiterer Behavioral Economics Erkenntnisse auf eine höhere Qualitätsstufe gehoben. Dies macht nachweislich die Kunden zufriedener, aber auch Berater bzw. Vermittler erfolgreicher. Zusätzlich kann die Marke mit einem Serviceerlebnis und dem Klimaschutz aufgewertet werden.
Über den Kundenmonitor Energiemarkt
Der «Kundenmonitor Energiemarkt» von Sirius Campus erscheint zweimal jährlich auf Basis von jeweils 2.000 befragten Haushalten in Deutschland. Die Untersuchung verfolgt wichtige Markttrends und Potenziale, z. B. mit dem Index für energetische Sanierungen (ESX). In jeder Befragungswelle werden aktuelle Schwerpunktthemen vertieft. In der ersten Befragungswelle 2020 die Investitionsbereitschaft und das Entscheidungsverhalten für energetische Sanierungen bei Wohneigentümern und Mietern. Neben relevanten Informations- und Beratungsorten in der Customer Journey wurde auch ein Beratungstest bei 165 Energieversorgern durchgeführt sowie die Bekanntheit und Präferenz folgender Marken untersucht:
- Hauptsächlich genutzte Baumärkte: Bauhaus, BayWa, Globus Baumarkt, Hagebaumarkt,
Hellweg, Hornbach, I&M Bauzentrum, Toom Baumarkt, OBI und Raiffeisen-Markt - Bekanntheit und Präferenz von Geräteherstellern von energieeffizienten Heizungsanlagen: August Brötje, Bosch Thermotechnik, Buderus, MHG Heiztechnik, Remeha, Vaillant, Viessmann,
Weishaupt, Wolf - Bekanntheit und Präferenz von Geräteherstellern regenerativer Warmwasseraufbereitungen: Alpha InnoTec, Ako Tec, August Brötje, Bosch, Buderus, Consolar, De Dietrich, Elco,
IDM Energiesysteme, Junkers, M-Tec, Nibe, Paradigma Systems, Ochsner, Rennergy, Resol, Solvis, Sonnenkraft, Vaillant, Vitosol, Viessmann, Waterkotte, Weishaupt, Weider, Wolf
Sirius Campus veranstaltet am 22. Juni einen Online-Workshop, in welchem wir mit vorliegenden Erkenntnissen zum Thema energetische Sanierung ein Monitoring zur Klimawende entwickeln. Weitere Informationen zum Monitor zur Klimawende finden Sie hier.
Kontakt zur Untersuchung: Niklas Geib, niklas.geib@siriuscampus.de, Direkt: +49 (0) 152 38 24 66 43