Schädliches Kundenverhalten im Kfz-Versicherungsvertrieb vorhersagen
Rund 2 Millionen Kfz-Versicherungsverträge wurden zum Jahreswechsel 2018 / 2019 neu abgeschlossen. Viele Wechsler gingen zur Allianz, AXA, DEVK, HUK-Coburg, HUK24 oder VHV. Aber einige Neukunden werden das Versichertenkollektiv und das Unternehmen schädigen. Sirius Campus kann vorhersagen, welche Kunden die Kosten in die Höhe treiben werden.
Weniger wertvolle Kunden sind im Jahresendgeschäft der Kfz-Versicherungssparte überproportional häufig zu finden. Sie haben einen höheren Betreuungsaufwand und schädigen das Versicherungskollektiv sogar mit häufigeren Betrugsversuchen. Mit Künstlicher Intelligenz lässt sich anhand von Personen- sowie Tarifmerkmalen und am Informationsverhalten vorhersagen, welche Kunden wirklich beziehungsbereit und werthaltig sind, um diese mit besonderen Angeboten zu gewinnen. Dies sind die Ergebnisse der aktuellen Sirius Campus Marktuntersuchung „Werthaltige Kfz-Versicherungskunden mit Künstlicher Intelligenz identifizieren“, die die Werthaltigkeit und das Entscheidungsverhalten anhand einer Befragung von 2.000 Kfz-Versicherungsnehmern, darunter 384 Wechslern, im Zeitraum vom 5. bis zum 15.12.2018 ermittelt und Wege zu ihrer Identifizierung aufzeigt.
Bindungsbereitschaft von Kfz-Versicherungswechslern ist hoch
Durch eine retro- und prospektive Untersuchung des Kundenverhaltens von Kfz-Versicherungsnehmern konnten drei Dimensionen der Werthaltigkeit ermittelt werden, die sich nachhaltig auf die Betriebs- und Vertriebskosten von Versicherern auswirken: Bindungsbereitschaft, kritisch-distanzierte Haltung und Nutzenoptimierung. Bindungsbereite Kunden sind in der Regel auf eine langfristige Vertragsbindung ausgerichtet, wechseln eher, um ihre Verträge zu bündeln, als um den besten Preis zu erhalten und sie sind offen für Beratungen und weitere Angebote. Im Vergleich zu allen Kfz-Versicherungsnehmern sind die Kfz-Versicherungswechsler zur Hauptfälligkeit kaum weniger bindungsbereit. Jedoch ist ihre kritisch-distanzierte Haltung und Nutzenoptimierung höher als im Gesamtmarkt. Die Vertriebskosten pro Vertrag steigen bei sehr kritisch-distanzierten Kunden, da sie besonders preisorientiert entscheiden. Zudem ist ihre Wechselbereitschaft dauerhaft hoch, insbesondere wenn Preis- und Serviceerwartungen enttäuscht werden. Kunden mit einer hohen Nutzenoptimierung schädigen ebenso das Versichertenkollektiv, denn sie haben die meisten Servicekontakte – häufig wegen Vertragsänderungen und Schadenmeldungen. Betrugsversuche bei der Schadenmeldung sind im Durchschnitt aller Kfz-Versicherungsnehmer mit 5 Prozent zwar niedrig, jedoch steigt der Anteil unter den Nutzenoptimierern um das 6fache auf 30 Prozent an. „Da sich im Jahresendgeschäft der Kfz-Versicherungsbranche deutlich mehr nutzenoptimierende Kunden befinden, sollten Versicherer Maßnahmen entwickeln, um diese zu erkennen. Nur so können sie zum Schutz der Bestandskunden ferngehalten werden. Diese Kunden verhalten sich wie Heuschrecken: Sie ziehen weiter, wenn sie das Terrain abgegrast haben,“ sagt Dr. Oliver Gaedeke, Geschäftsführer bei Sirius Campus.
Rabattvergabe ohne System kostet die Branche 305 Mio. EURO
Erschreckenderweise erhalten ein Fünftel (20 Prozent) aller Kfz-Versicherungsnehmer ungefragt ein Rabattangebot, meistens von der Zentrale per Brief oder von ihrem Vermittler. Dagegen haben nur 7 Prozent aktiv nach einem Rabatt gefragt, jedoch erhalten diese im Schnitt mit 53 € kaum einen höheren Rabatt als die weitaus größere Gruppe der passiven Profiteure mit durchschnittlich 45 € Rabatt (berechnet auf den Jahresbeitrag). Vollkommen unverständlich erscheint die Erkenntnis, dass sogar treue Kunden, die keinerlei Wechselabsicht hatten, ebenso häufig (22 Prozent) ein Rabattangebot ungefragt erhalten. Hochgerechnet sind damit rund 180 Mio. Euro auf Kosten der Versichertenkollektive zu Gunsten einiger weniger Kunden verschwendet worden. Insgesamt werden sogar rund 305 Mio. Euro ungefragt an Kfz-Versicherungsnehmer ausgeschüttet. „Die Rabattschlacht im Jahresendgeschäft ist für die Gesellschaften wie auch für die Bestandskunden unverantwortlich. Fairer für alle Versicherten wäre es, eine Weihnachtslotterie im gesamten Bestand vorzunehmen. Mit einem professionellen Vertriebsmanagement kann die Rabattvergabe so gesteuert werden, dass wirklich auch ein Mehrwert gehoben wird,“ bewertet Dr. Oliver Gaedeke die Erkenntnisse.
Entscheidungsmanagement mehr denn je gefragt
Die Haupterkenntnisse der Marktuntersuchung liegen im psychologischen Entscheidungsprozess der Kfz-Versicherungsnehmer. Hier konnte gezeigt werden, welche Informationen in einem Kaufprozess die Angebotsbewertung und –auswahl beeinflussen. Dabei sind auch scheinbar triviale Aspekte wie Preisabstände zwischen drei Angeboten von erheblicher Bedeutung. Denn auf diese reagieren bindungsbereite Kunden eher positiv, wohingegen die unattraktiven (kritisch-distanzierte und nutzenoptimierende) Kunden sich hiervon verunsichern lassen und ganz abwenden. Zusätzlich konnte bewiesen werden, dass allgemeine Personeninformationen und Tarifmerkmale die Identifizierung der drei Dimensionen der Kundenwertigkeit vorhersagen können. Dies eröffnet eine ganz neue Perspektive für die Gestaltung und das Management von Beratungen und Entscheidungsprozessen. „Wer noch glaubt, Künstliche Intelligenz und Profiling sei verbraucherfeindlich, verwechselt Zweck und Mittel. Unternehmen, die mit KI auf die Werthaltigkeit des Neugeschäfts achten, schützen die Bestandskunden und das Unternehmen,“ resümiert Dr. Oliver Gaedeke.
Kontakt: Dr. Oliver Gaedeke, T. +49 152 38246640, oliver.gaedeke@siriuscampus.de